„Meinen Kopf schaltete ich dadurch aus.“

Mein Glaube. Meine Geschichte.

„Meinen Kopf schaltete ich dadurch aus.“

Mein Glaube. Meine Geschichte.

Ich bin Hannes. Ich bin jemand, der sich viele Gedanken macht. Früher habe ich mir oft stundenlang den Kopf über Ungerechtigkeiten zerbrochen.

Warum wird so viel Geld in die Wirtschaft gesteckt, während in Afrika Menschen verhungern? Warum gibt es ständig Krieg im Nahen Osten? Warum gibt es in Deutschland immer noch so viel Ausländerfeindlichkeit? Was ist eigentlich der Sinn von Menschlichkeit auf dieser Welt?

Ich habe mich mit Geschichte, Politik und vielen Religionen auseinandergesetzt, um Antworten zu finden. Eine Zeit lang war ich sogar im Buddhismus unterwegs, aber nichts fühlte sich wirklich richtig oder nach der Wahrheit an. Es ergab zwar alles irgendwie Sinn, aber dann doch wieder nicht.

Ich informierte ich mich hauptsächlich über YouTube und TikTok – ich bin echt nicht so ein Fan vom Lesen und eigentlich eher faul.

Auf TikTok wurden mir irgendwann immer häufiger Fatwas von muslimischen Gelehrten angezeigt. Da wurden einfache, aber auch komplexe Fragen beantwortet. Obwohl ich nicht danach gesucht habe, hatte ich das Gefühl damit endlich etwas gefunden zu haben, was mir weiterhilft. Besonders ein Prediger hat mich begeistert. Er schien auf alles eine Antwort zu haben und das hat mich echt beeindruckt. Zudem war er wohl eine bekannte Person, denn er hatte echt viele Follower. Irgendwie gab mir das Sicherheit. Ich musste nicht mehr selbst suchen, sondern konnte mich einfach nur noch darauf konzentrieren von ihm zu lernen.

Durch einen kleineren Kanal auf TikTok bin ich dann in eine Discord-Gruppe gekommen, wo ich mich mit anderen unterhielt. Besonders mit einem Typen. Wir wurden schnell Freunde. 

Er ist ganz anders aufgewachsen als ich, ist mit seinen Eltern vor dem Krieg geflohen. Und hier erlebte er, dass ihn Mitschüler ausgrenzten, weil er nicht richtig Deutsch sprach. Er konnte allerdings sehr gut Englisch sprechen. Genau wie ich. Das wussten nur seine Mitschüler nicht. Deshalb konnten wir uns stundenlang unterhalten.

Ich schämte mich am Anfang, weil ich echt Glück habe in Wohlstand aufgewachsen zu sein und seine riesigen Probleme nicht hatte. Ich sprach deshalb total schlecht über meinen Vater, der Banker ist. Eigentlich nur, um ihm zu zeigen, wie egal es mir ist reich zu sein. Am Anfang ging er nicht richtig darauf ein, aber nach einer Zeit, als wir uns besser kennengelernt haben, redeten wir mehr über Politik. Er machte mir deutlich, wie sehr er das ganze Finanzsystem und Demokratien hasste. Das war für ihn das Böse auf der Welt. Und ehrlich gesagt verstand ich ihn. In seiner Situation konnte man nur alles infrage stellen.

Er schickte mir ständig Dokumentationen über Krieg im Nahen Osten, über die Unterdrückung der Muslime, über den Westen als Teufel. Ich hinterfragte die Quellen nicht. Es waren gut gemachte Filme. So gut, dass ich selbst anfing wirklich zu hassen.

In einem Videochat bin ich schließlich zum Islam konvertiert. Rückblickend gar nicht wirklich wegen der Religion, sondern wegen der Wut die ich empfunden habe. Der Wut auf alle, die sich scheinbar gegen die Muslime verschworen hatten. Ich wollte sie verteidigen. Anfangs fühlte sich das gut an und ich wollte unbedingt, dass auch andere Leute konvertieren, damit die Gemeinschaft stärker wird. Damit wir Muslime mehr sind, als die „Bösen“.

Mein Freund war von meiner Motivation begeistert. Aber nach ein paar Monaten überzeugte er mich, dass es nicht ausreicht, andere vom Islam zu überzeugen. Er meinte, wir müssten mehr tun, damit die Menschen endlich begreifen, dass der Islam die einzige Religion sein, an die man glauben sollte.

Dadurch hatte ich viele Konflikte in der Schule. Das ging so weit, dass die Schule die Polizei einschaltete, weil ich mich sogar mit anderen muslimischen Mitschülern stritt und ihnen drohte. Abschreckend war das für mich aber nicht. Ich fühlte ich mich bestätigt. Auch die Schule hatte sich scheinbar gegen mich als wahrer Muslim verschworen.

Mein Religionslehrer hat dann das Gespräch mit mir gesucht. Wir haben wirklich viel miteinander geredet. Am Anfang wollte ich nicht wirklich hören, was er zu sagen hatte. Ich dachte, er will mich sowieso nur von seiner Meinung überzeugen. Aber er war sehr geduldig mit mir und hat immer wieder versucht ins Gespräch zu kommen. Dadurch entwickelte ich Respekt vor ihm. Es schien ihn wirklich zu interessieren, was ich denke und was mich beschäftigt.
Wir haben auch über den Islam gesprochen. Er hat schnell gemerkt, dass ich mich nicht so gut auskenne. Ich zeigte ihm, welche Videos ich über den Islam schaute, welchen Predigern ich folgte und erzählte ihm die Geschichte meines Freundes von Discord.

Er empfahl mir, mit jemandem von beRATen e.V. darüber zu sprechen, da er sich zu wenig auskenne. Er war sogar beim ersten Gespräch dabei. Ich habe mich gleich wohl gefühlt, weil ich das Gefühl hatte, alles frei sagen zu können. Wir haben eigentlich wenig über Religion gesprochen, sondern mehr über das was mich bewegte und belastete.

In den Gesprächen wurde mir bewusst, dass es keine einfachen Antworten auf meine großen Fragen gibt. Mir wurde auch klar, dass die Menschen, denen ich folgte, mich nur beeinflussen wollten, indem sie so taten, als müsse man nur nach ihren Regeln leben, dann würde alles gut. Ich habe meinen eigenen Kopf ausgeschaltet. Es gab nur noch Schwarz und Weiß – Gut und Böse. Aber die Welt ist eigentlich bunt.

Ich beschäftige mich immer noch gerne mit Religionen, aber ich würde nicht sagen, dass ich heute besonders religiös bin. Ich bin meinem Lehrer und beRATen e. V. sehr dankbar, weil ich heute besser verstehen kann, warum nicht jeder gläubige Mensch Gutes tun will und dass man manchmal trotz guter Absichten auf dem falschen Weg sein kann.

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Team beRATen e. V.